Lagunennebel (Messier 8)
Geschichte
Der Lagunennebel ist wohl einer der prächtigsten Objekte des Himmels. Die Entdeckung wird oft Le Gentil im Jahre 1747 zugeschrieben, doch es scheint, dass der Nebel bereits 1680 von Flamsteed als nebelhafter «Fortsatz im Bogen des Sagittarius» verzeichnet wurde. De Cheseaux bezog sich 1746 ebenfalls auf einen «Haufen in Sagittarius' Bogen», welcher vermutlich M 8 darstellte. Charles Messier nahm den Nebel 1764 als achtes Objekt in seiner Liste kometenähnlicher Himmelsobjekte auf.
Physikalische Eigenschaften
Bei M 8 handelt es sich um einen galaktischen Nebel, eine H II-Region, dem Geburtsort neuer Sterne. Das bemerkenswerteste Detail ist der dunkle gebogene Kanal, welcher den Nebel von NE nach SW durchquert und ihn scheinbar in zwei Hälften spaltet. Dieser Kanal ist an den meisten Stellen zwei Bogenminuten breit, doch er ist nicht komplett dunkel, sondern von parallel laufenden hellen Filamenten durchzogen, größtenteils auf der Westseite. Dieser Besonderheit verdankt der Nebel den Namen «Lagunennebel», welcher vermutlich erstmals von Agnes M. Clerke in ihrem 1890 erschienenen Buch «The System of the Stars» verwendet wurde. Der Name scheint nicht ganz passend, da die Dunkelwolke eher einem Kanal und nicht einer Lagune gleicht. [4]
Die genaue Distanz von M 8 ist noch etwas unsicher, dies aufgrund der starken unterschiedlichen Verdunkelung in dieser Region der Galaxie. Entfernungsangaben reichen von etwa 3000 bis 5200 Lichtjahren. Vermutlich liegt der höhere Wert im Bereich der Plausibilität. Bei dieser Distanz besitzen die hellen Bereiche des Nebels eine physische Ausdehnung von rund 66x44 Lichtjahren. Zieht man die schwächeren äußeren Region hinzu, so wächst der Nebel auf etwa 115 Lichtjahre an. M 8 scheint Teil eines größeren Nebelkomplexes zu sein, zu dem auch der Trifid-Nebel (nördlich) und die Nebel NGC 6559 und IC 4681 (östlich) dazugehören. Alle sind durch einen zarten Gas- und Staubschleier miteinander verbunden. [4]
Sanduhrnebel in M 8
Der westliche Teil des Nebels wird von zwei Sternen dominiert, die voneinander nur drei Bogenminuten Winkelabstand haben. Der südlichere Stern der beiden ist 9 Sagittarii mit dem Spektraltyp O5 und der Helligkeit 5.97 mag. Hierbei handelt es sich vermutlich um den Hauptstern, welcher den Nebel zum Leuchten anregt, doch weitere extrem heiße Sterne existieren möglicherweise innerhalb der Wolke, verdeckt von Dunkelwolken. Nur drei Bogenminuten WSW von 9 Sagitarii liegt der hellste Teil des Nebels: Ein sanduhrförmiger Knoten mit etwa 30 Bogensekunden Durchmesser und wegen seines Aussehens Sanduhrnebel (Hourglass Nebula) genannt. Dieser extrem helle Teil des Nebels wird teils vom Stern Herschel 36 (ca. 9.5 mag, Spektraltyp O7) und teils von einem durch ein Staubband verdeckten Stern mit Energie versorgt und zum Leuchten angeregt. Der verdeckte Stern ist nur im Infraroten sichtbar, welches die dichten Staubwolken zu durchdringen vermag. Diese Sterne sind möglicherweise weniger als 10'000 Jahre jung, etwa im selben Alter wie der Sanduhr-Nebel selbst. Ein Indiz für eine kürzliche Sternbildung in dieser sehr aktiven Region. In diesem Teil des Nebels befindet sich auch eine Quelle für Radiostrahlung, welche erstmals 1973 vom «National Radio Astronomy Observatory» in Green Bank, West Virginia, detektiert wurde. [4, 15]
Die gezeigte HST-Detailaufnahme des Sanduhrnebels enthüllt ein Paar etwa 0.5 Lichtjahre langer interstellarer «Wirbelstürme». Der heiße O-Stern Herschel 36 im Zentrum und weitere heiße Sterne sind die primäre Quelle der ionisierenden Strahlung. Die starke Strahlung bewirkt Photo-Evaporation an der Oberfläche der umliegenden Wolken (gezeigt als «blauer Dunst»), und gewaltige stellare Winde, welche die kühlen Wolken zerreißen. Analog zu den irdischen Wetter-Phänomenen kann die große Temperaturdifferenz zwischen der heißen Oberfläche und dem kühlen Inneren der Wolken, kombiniert mit dem Druck von Sternenlicht, zu starken horizontalen Scherkräften führen, welche die Wolken zu einem Tornado-förmigen Gebilde verwirbeln. Obwohl das Aussehen der dunklen Wolkenschläuche eine Wirbelbewegung suggeriert, muss diese Drehbewegung anhand weiterer Spektralmessungen mit neuem Equipment des HST verifiziert werden.
Die HST-Aufnahmen enthüllen ebenfalls eine Vielzahl kleiner Strukturen im interstellaren Medium: kleine dunkle Wolken, genannt «Bok-Globulen», bogenförmige Schockfronten um Sterne, ionisierte Fetzen, Ringe, Knoten und Jets. Alles Zeichen, welche die wahre Natur des Lagunennebels als Geburtsstätte neuer Sterne aus staubigen Molekülwolken bestätigen. Diese Regionen dienen als Weltraum-Laboratorium um die Entwicklung der Sterne und die Interakationen der Stellarwinde mit dem umliegenden Gas zu studieren.
Das farbcodierte Bilder entstand im Zeitraum Mai bis September 1995 mit der WFPC2 des HST durch drei schmalbandige Filter: rot = ionisierte Schwefelatome, blau = zweifach ionisierte Sauerstoffatome, grün = ionisierter Wasserstoff. [175] Diese Farbcodierung entspricht nicht den natürlichen Farben, da ionisierte Schwefelatome [S II] rot, zweifach ionisierte Sauerstoffatome [O III] grün und ioniserter Wasserstoff [H II] blaugrün [H beta] und rot [H alpha] leuchten.
Dunkelwolken in M 8
Der amerikanische Astronom Edward Emerson Barnard hat nebst dem dominaten dunklen Band in M 8 noch weitere Dunkelwolken entdeckt und in seinem 1919 erschienenen Katalog «Catalogue of 182 Dark Markings in the Sky» [239] aufgeführt. Barnard 88 ist eine eigentümlich kometenförmige Wolke nördlich des offenen Sternhaufens NGC 6530. Die Bezeichnung für die sehr irregulär geformte Dunkelwolke nahe dem hellen Stern auf der Ostseite des Nebels lautet Barnard 89. Südlich vom hellen Stern 9 Sagittarii liegt noch eine weitere, später entdeckte Staubwolke mit der Nummer Barnard 296. Aussehen und Position können der Auffindkarte entnommen werden. Einige Dunkelwolken schien Barnard jedoch übersehen zu haben.[4] Bei dem hellen Stern 7 Sagittarii (5.3 mag) westlich des Lagunennebels handelt es sich um einen F3-Stern der Hauptreihe. Er liegt mit nur 240 Lichtjahren Entfernung weit im Vordergrund und steht in keiner Beziehung zum Nebel. [91]
Name | Typ | RA (J2000.0) |
Dec (J2000.0) |
Size ['] |
Identifiers |
---|---|---|---|---|---|
Barnard 88 | DNe | 18h 04m 36s | -24° 06' 00" | 19.8 × 24 | Barnard 88; TGU H77 P6; [DB2002b] G6.30-1.23 |
Barnard 89 | DNe | 18h 05m 00s | -24° 21' 00" | 2 × 1.5 | Barnard 89; [DB2002b] G6.12-1.43 |
Barnard 296 | DNe | 18h 04m 06s | -24° 31' 00" | 4 × 4 | Barnard 296; [DB2002b] G5.88-1.33 |
Offener Sternhaufen NGC 6530
Der östliche Teil vom galaktischen Nebel Messier 8 enthält als prominenteste Besonderheit den lockeren offenen Sternhaufen NGC 6530. Er misst etwa 14 Bogenminuten im Durchmesser. Die hellsten Mitglieder sind Unterriesen des Typs B0 IV. Mittels des Lowell 42"-Reflektors konnte C. O. Lampland im Jahre 1919 18 irregulär variable Sterne im Haufen und dem umliegenden Nebelgebiet identifizieren. Dabei scheint es sich um Flare-Sterne und solche des T-Tauri-Typs zu handeln, welche noch Babies sind und sich noch nicht zum stabilen Hauptreihenstadium entwickelt haben. Ein von NGC 6530 erstelltes H-R-Diagramm zeigt einen typisch jungen Haufen, der sich nur vom Spektraltyp O5 bis etwa A0 erstreckt. Die meisten schwachen Sterne liegen dabei etwa vier bis fünf Magnituden über der Normalposition. Sie befinden sich immer noch im Prozess der gravitationellen Kontraktion und erzeugen möglicherweise noch keine Thermonukleare Energie — interstellare Feten sozusagen. Das H-R-Diagramm von M 8 ähnelt dem von NGC 2264 im Sternbild Monoceros. Beide zählen zu den jüngsten bekannten Sternhaufen. Das Alter wird auf wenige Millionen Jahre geschätzt. Da die Spektren nur eine geringe Rötung zeigen, lässt vermuten, dass sich der Sternhaufen vor dem Lagunennebel befindet. NGC 6530 entfernt sich mit einer Radialgeschwindigkeit von etwa 9 km/s. [4]
Name | RA | Dec | Typ | bMag | vMag | Dim | MD | Dreyer Beschreibung | Identifikation, Anmerkungen |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
NGC 6523 | 18 03 42.0 | -24 22 48 | EN | 5.8 | 45 × 30 | 1.250 | !!! vB, eL, eiF, with L Cl | h 3722; GC 4361; M 8; NGC 6533; LBN 25; Lagoon nebula | |
NGC 6530 | 18 04 30.0 | -24 21 30 | OCL (II2mn) | 4.6 | 15 | 1.322 | Cl, B, L, pRi, f M 8 | h 3725; GC 4366; OCL 19; ESO 521-SC21; in Lagoon nebula (M 8) | |
NGC 6533 | 18 03 42.0 | -24 22 48 | dup | 5.8 | 45 × 30 | 1.250 | eL, eiF, st f | WH V 13; GC 4368; M 8; NGC 6526; LBN 25; Lagoon nebula |
Auffindtipp für den Lagunennebel
Der diffuse Nebel M 8 liegt über dem Ausguss des Teapots, etwa auf der selben RA-Koordinate wie Al Nasl (γ Sagittarii) und etwa ein Grad nördlicher als Kaus Borealis (λ Sagittarii). Eine andere Methode ist die Sterne Kaus Borealis (λ Sagittarii) — ρ Ophiuchi zu verbinden und den mittleren Telrad-Kreis etwa auf den ersten Drittel zu positionieren. In einer klaren, dunklen Nacht kann M 8 bereits von bloßem Auge gesichtet werden. Der Stern 9 Sagitarii ist 5.4 mag hell und 9 Sagitarii hat 5.9 mag. Somit gestaltet sich das Auffinden recht einfach. Da der Nebel recht großflächig ist, wird am besten ein Okular mit der geringsten Vergrößerung gewählt. In leicht dunstigen Nächten steigert ein O-III Filter den Kontrast. Etwa ein und zwei Grad südöstlich liegen die beiden Kugelsternhaufen NGC 6544 und NGC 6553. M 8 in den Monaten Mai bis September am besten zu beobachten.
Visuelle Beobachtung
Der Lagunennebel ist bereits von Auge sichtbar, tritt deutlich in einem Feldstecher in Erscheinung und offenbart sich voll in einem Teleskop. In kleineren und mittelgroßen Teleskopen hilft ein Nebelfilter UHC oder OIII den Kontrast zu verstärken. Es werden Formen sowie Hell- und Dunkelgebiete deutlich sichtbar. — 14" PWO-Dobson, F:4.6 / TV-Nagler 26mm, 62x, 1.33° / OIII-Filter, Eduard von Bergen