Gipfeli-Nebel (NGC 6888) & Seifenblasen-Nebel (Ju 1)
Gipfeli-Nebel (NGC 6888)
Der Emissionsnebel NGC 6888 ähnelt dem Aussehen nach etwas dem Cirrusnebel, doch handelt es sich hierbei nicht um den Überrest einer Supernova. NGC 6888 gehört zur Klasse der Wolf-Rayet-Nebel, ein Nebel verursacht durch einen gleichnamigen Stern. Nebenbei handelt es sich bei diesem Exemplar um einen der hellsten W-R-Nebel.
WR-Sterne sind massereich und leuchtkräftig und haben sich vermutlich aus den ebenfalls sehr leuchtkräftigen O-Sternen entwickelt. Es gibt zwei Gruppen von W-R-Sternen: solche, in deren Spektren Stickstoff-Linien (WN-Sterne) und solche, in deren Spektren Kohlenstoff-Linien (WC-Sterne) dominieren. Ein weiteres Merkmal von W-R-Sternen sind ihre extrem starken Sternwinde. Die von ihnen in den Raum abgeblasene Materie wird von ihrem energiereichen Licht zum Leuchten angeregt und erscheint uns in einigen Fällen als Emissionsnebel.
Der Zentralstern von NGC 6888 trägt die Bezeichnung HD 192163, ein Prototyp der WN6-Sterne mit einer sehr hohen Effektivtemperatur von 55'000 Kelvin. Aus diesem Grund enthält sein Licht sehr viel energiereiches UV und kann somit zweifach ionisierten Sauerstoff [OIII] sehr stark anregen. Obwohl der Sauerstoff in NGC 6888, verglichen mit der Elementhäufigkeit der Sonne und im interstellaren Gas, um einen Faktor vier unterhäufig ist, sind die Emissionslinien des zweifach ionisierten Sauerstoffs sehr intensiv.
Wegen des filamentartigen Aussehens von NGC 6888 und der ungewöhnlichen spektralen Eigenschaften war er lange Zeit für einen Supernovaüberrest gehalten worden, doch man fand keine Post-Supernova (Pulsar) in seinem Zentrum sondern eben einen Wolf-Rayet-Stern.
NGC 6888 erscheint auf langbelichteten Fotoaufnahmen als eine geschlossene Nebelblase inmitten der Nebelfelder von Sharpless 108, südlich von gamma Cygni. Da visuell besonders ein helles Filament am nördlichen Rand dieser Blase auffällt, erhielt NGC 6888 den Beinamen Crescent Nebula, was zu deutsch entweder eine Mondsichel oder ein halbrundes Frühstücksgebäck heissen mag. [72, 126]
Bezeichnung | NGC 6888 |
Typ | EN |
Rektaszension (J2000.0) | 20h 12m 06.5s |
Deklination (J2000.0) | +38° 21' 18" |
Durchmesser | 18 × 13 arcmin |
Fotografische (blaue) Helligkeit | 10.0 mag |
Metrische Entfernung | 1.450 kpc |
Dreyer Beschreibung | F, vL, vmE, ** att |
Identifikation, Anmerkungen | WH IV 72; GC 4561; LBN 203; Sh2-105; Crescent nebula |
Seifenblasen-Nebel (Ju 1)
Dieser sehr schwache planetarische Nebel (PN G75.5+1.7) wurde von dem Amateurastronomen D. M. Jurasevich auf Bildern entdeckt, die am 19. Juni 2007 und am 6. Juli 2008 mit einem apochromatischen Astro-Physics 160EDF Refraktor am Mount Wilson Observatorium aufgenommen wurden. Der Nebel wurde unabhängig voneinander von K. B. Quattrocchi und M. Helm beobachtet und gemeldet. Sie nahmen acht separate 10-minütige Bilder am 17. Juli 2008 mit einem 40.6 cm f/3.75 Astrographen auf, der sich in den Sierra Remote Observatories in den Sierra Nevada Mountains befindet.
Die Bilder enthüllten eine nahezu kugelförmige Hülle aus Gas, die sich in einer schwachen H II-Region in der Nähe von NGC 6888 befindet und die aufgrund der Dichte von Sternen und Gas in diesem Gebiet des Cygnus bisher offenbar nicht bemerkt (oder veröffentlicht) wurde. Diese Schale erscheint als eine leicht verlängerte Ellipse mit ihrer Hauptachse im Positionswinkel von 5° und einer scheinbaren Größe von 260 x 235 Bogensekunden. [512]
Wie findet man das Gipfeli?
NGC 6888 befindet sich im Sternbild Cygnus zwischen den Sternen Sadr (γ Cygni) und η Cygni. Mit Vorteil wird ein Okular mit großem Gesichtsfeld gewählt. Ein O-III Filter ist bei einem nicht ganz dunklen Himmel erforderlich. Dann wird das Teleskop mit Hilfe des Telrad-Finders gemäss nebenstehender Karte ausgerichtet. Der Nebel liegt bei einem markanten "W" aus fünf helleren Sternen 7. bis 8. Grösse. In den Monaten März bis Dezember ist das Sternbild am besten sichtbar.
Visuelle Beobachtung
300 mm Öffnung: Bei nur mässig dunklem Himmel ohne O-III Filter ist bei NGC 6888 gerade mal der nördliche, hellste Bereich zu erkennen, da der Nebel dann nicht viel heller als der Himmelshintergrund erscheint. Mit Filter gibt er dann schön seine 'Gipfeli'-Form preis. Der Nebel erscheint schwächer als der bekannte Cirrusnebel im gleichen Sternbild. In einer dunklen, klaren Nacht im Gebirge, fernab jeglicher Zivilisation und Lichtverschmutzung ist NGC 6888 auch ohne Filter gut zu erkennen. — 300 mm f/4 Popp Newton, Raten, 1996, Philipp Reza Heck
400 mm Öffnung: Im 21 mm Tele Vue Ethos Okular ist der Nebel mit O-III gut erkennbar. Die halbrunde Form ist deutlich zu erkennen. Sie gleicht eher einem Prussiens-Guetzli als einem Gipfeli. — 400 mm f/4.5 Taurus Dobsonian, Glaubenberg, SQM 21.0, 11. 10. 2023, Bernd Nies