Cocktail (NGC 6905)
Objektbeschreibung
Der planetarische Nebel (PN) NGC 6905 stellt ein schönes Beispiel eines wenig bekannten, jedoch hellen und ästhetischen PN's dar. Der vom Zentralstern (ZS) ausgehende Wind kollidiert mit dem sich nur langsam ausdehnenden Halo, welches während des Roten-Riesen-Stadiums des Sterns entstand. Die Kollisionsenergie ist genug groß um die Materie zum Leuchten anzuregen (Schockionisation). Da der ZS von einem äquatorialen Gas- und Staubring umgeben ist, kann der Sternwind nur bei höheren Breiten gegen die Pole hin entweichen. Es kommt zu einem kollimierten Sternwind. Dadurch kommt auch die Form des Nebels zustande (siehe Falschfarbenbild Abb. 2). Im E und W ist der Nebel mit einem hellen Rand begrenzt, im N und S hingegen ist die Abgrenzung nicht so deutlich. Spektroskopische Geschwindigkeitsmessungen ergaben, dass gerade hier der Sternwind mit hoher Geschwindigkeit austritt. Heute kann man das Aussehen des Nebels mit Modellen, welche die bereits erwähnte Schockionisation einbeziehen, sehr gut erklären.
Das bei PN's übliche morphologische Klassifikationsschema von Voronstov-Velyaminov gibt bei NGC 6905 den Typ III+III an; also eine Scheibe mit unregelmässiger Helligkeitsverteilung mit zwei Bereichen. Dies können wir gut bestätigen, wenn wir die CCD-Falschfarbenaufnahme (Abb. 2) betrachten. Astronomen vom Astrophysikalischen Institut der Kanarischen Inseln haben auch Ansae beobachtet. Auf unserer CCD-Aufnahme kann man sie aber nur vermuten.
Beim Zentralstern handelt es sich um einen O VI-Stern. Dies sind Sterne im Vorstadium zu einem weissen Zwerg. Sie haben eine ausserordentlich heisse Oberfläche und geben sich durch besonders starke Emissionslinien dreifach ionisierten Sauerstoffs (O VI) zu erkennen. Diese namengebenden O VI-Linien befinden sich bei 3811 und 3834 Ångström. Fotometrische Messungen des ZS ergaben Helligkeitsschwankungen um seinen Mittelwert von 15.5 vmag herum. Dies erklärt dann auch die Sichtbarkeit des Sterns im 20 cm Teleskop. Die Veränderlichkeit ist auf Pulsationen des Sterns zurückzuführen.
Bezeichnungen | PN G061.4-09.5: NGC 6905, PK 61-09.1, ARO 75, He 2- 466, VV 257, VV' 535 |
Rektaszension (J2000.0) | 20h 22m 22s |
Deklination (J2000.0) | +20° 06' 18" |
Abmessungen | 40." (optisch) |
Entfernung | 1.0 kpc |
Radialgeschwindigkeit | -8.4 ± 1.7 km/s |
Expansionsgeschwindigkeit | 43.5 (O-III) km/s |
Z-Stern Bezeichnungen | AG82 408, CSI +19-20201 0, HD 193949, PLX 4855 |
Z-Stern Magnitude | B: 16.3, V: 15.7 |
Z-Stern Spektraltyp | WC-OVI, WC 3 |
Entdecker | HERSCHEL 1831 |
Wo findet man einen Cocktail am Himmel?
Der Nebel lässt sich relativ bequem auffinden. Man stellt dazu den Stern an der Spitze des Sternbilds Pfeil (Sagitta) ein: η Sge mit 5.1 v-mag lässt sich bereits im schwachen Sucher sehen und ist meistens sogar von blossem Auge sichtbar und somit auch mit einem Telrad-Finder einzustellen! Wenn Sie η Sge am besten in einem Weitwinkelokular zentriert haben, fixieren Sie die Deklinationsachse und schwenken rund 4 Grad und 3 Bogenminuten nach Osten.
Der PN scheint in einer Kathete eines gleichschenkligen Dreiecks 10-12 mag heller Sternchen zu liegen. Dieses Dreieck stellt den oberen Teil eines Cocktail-Glases dar (siehe Abb. 1). Das ganze sieht dann aus wie ein Cocktail, der mit einer Zitronenscheibe (der PN selbst) oder einer Eiskugel serviert wird.
Visuelle Beobachtung
200 mm Öffnung: Wenn das Cocktail einmal gefunden und zentriert ist, sollte man eine Vergrösserung von mindestens 200-fach verwenden. Wenn es das Seeing zulässt, lohnt es sich sogar über 300-fach zu gehen. Man erkennt dann die oben beschriebene Struktur. Im E und W einen helleren, gut definierten Rand, im N und S hingegen einen eher unscharfen, diffusen Übergang in den Himmelshintergrund. Auf der Zeichnung rechts ist der Kontrast etwas überhöht dargestellt, um die schwachen Details besser hervorzuheben. Ein Nebelfilter (OIII, UHC oder H-beta) hat uns bei diesem PN keine Verbesserung des Kontrasts gebracht. Der Zentralstern war zu unserem Erstaunen bereits im 200 mm Teleskop mit indirektem Sehen deutlich sichtbar. Zwar wird er mit v-mag 15.5 angegeben, kann aber wegen seiner Variabilität durchaus einiges heller sein! — 1997, Philipp Reza Heck
400 mm Öffnung: Im 21 mm Tele Vue Ethos Okular ist der PN schon gut ohne O-III Filter zu erkennen. Im 9 mm Nagler zeigt sich dann auch der Zentralstern und dass der Rand etwas heller ist. Der Nebel erscheint rund. Die beiden schwachen «Ohren» sind nicht zu erkennen. — 400 mm f/4.5 Taurus Dobsonian, Glaubenberg, SQM 21.0, 11. 10. 2023, Bernd Nies
500 mm Öffnung: Die für einen PN typische Form kommt bei 500 mm Öffnung gut zur Geltung. Auf der CCD-Aufnahme (Abb. 2) erkennt man deutlich die Gebiete höherer Dichte in der W- und E- Peripherie des Nebels, während im N und S der schnelle Sternwind fast ungehindert in den interstellaren Raum entweichen kann. — 1997, Stefan Meister