Intergalaktischer Wanderer (NGC 2419)
Geschichte
Dieser Kugelsternhaufen wurde von Wilhelm Herschel am 31. Dezember 1788 mit seinem selbstgebauten 18.7-Zoll-Spiegelteleskop (f/12,8) in Slough, England, entdeckt. Da er ihn nicht in Sterne auflösen konnte, katalogisierte er ihn als I 218 (Klasse I = helle Nebel) und beschrieb ihn wie folgt: «beträchtlich hell, rund, sehr allmählich viel heller in der Mitte, etwa 3' Durchmesser.» [465] Sein Sohn John, der 1833 ein 18.3-Zoll-Teleskop benutzte, listete den Haufen als Nummer 457 auf, konnte aber auch seine wahre Natur nicht erkennen. [466] William Parsons, der 3. Earl of Rosse, der seinen berühmten Reflektor «Leviathan of Parsonstown» mit sechs Fuss großer Öffnung benutzte, schrieb 1861: «Rand fadenförmig; rund; sieht aus wie ein kugelförmiger Haufen.» [486] Dreyer katalogisierte den Kugelsternhaufen dann als NGC 2419. [313]
Der erste, der die Natur von NGC 2419 als Kugelsternhaufen nachwies, war C. O. Lampland anhand von Fotografien, die mit dem 40-Zoll-Reflektor des Lowell-Observatoriums gemacht wurden. [604] Im selben Jahr schätzte Harlow Shapley die Entfernung dieses Kugelsternhaufens und kam zu dem Schluss, dass er einer der am weitesten entfernten Kugelsternhaufen ist. [604] Später gab er dem Haufen den Spitznamen «Intergalaktischer Tramp». Robert Burnham Jr. verwendete den alternativen Namen «Intergalactic Wanderer» erstmals in seinem 1978 erschienenen «Celestial Handbook». [4]
Physikalische Eigenschaften
Messungen mittels dem Hubble Weltraumteleskop und dem Gaia Weltraumteleskop zeigten, dass NGC 2419 das Zentrum der Milchstrasse auf einer fast polaren Bahn von etwa 53 kpc bis 98 kpc (173'000 bis 320'000 Lichtjahre) umrundet und dafür etwa vier Milliarden Jahre benötigt. Dies und der gemeinsame Rotationssinn um die Milchstrasse machen es sehr wahrscheinlich, dass dieser Kugelsternhaufen einst zur elliptischen Sagittarius Zwerggalaxie (Sgr dSph, Sag DEG) gehörte. [302]
Für gewöhnlich zeigen Sterne innerhalb Kugelsternhaufens sehr ähnliche Eigenschaften, wie zum Beispiel das Alter und der Metallgehalt (in der Astronomie alle Elemente schwerer als Helium), da die Sterne zur selben Zeit entstanden sind. Es wurde auch angenommen, dass diese Ähnlichkeit auch für den Heliumgehalt der einzelnen Sterne innerhalb des Kugelsternhaufens gelten wurde. Studien von NGC 2419 mittels dem Hubble Weltraumteleskop zeigten, dass diese Annahme nicht immer stimmt. Dieser Kugelsternhaufen zeigt zwei unterschiedliche Population von Roten Riesen, ein von diesen ist ungewöhnlich reichhaltig an Helium. Andere Elemente wie z. B. Stickstoff weisen auch starke Unterschiede bei den einzelnen Sternen auf. Diese Population heliumreicher Sterne wurden vorwiegend im Zentrum des Kugelsternhaufens gefunden und sie scheinen auch anders zu rotieren wie die andere Population. Dies wirft Fragen auf, ob beide Sternpopulationen zusammen entstanden sind oder unterschiedlichen Ursprungs sind. [301]
Bezeichnung | NGC 2419 |
Typ | GCL (II) |
Rektaszension (J2000.0) | 07h 38m 08.5s |
Deklination (J2000.0) | +38° 52' 57" |
Durchmesser | 4.6 arcmin |
Visuelle Helligkeit | 10.3 mag |
Metrische Entfernung | 82.600 kpc |
Dreyer Beschreibung | pB, pL, lE 90°, vgbM, * 7·8 267°, 4' dist |
Identifikation, Anmerkungen | WH I 218; h 457; GC 1548; GCL 12; Intergalactic wanderer |
Auffindkarte
NGC 2419 befindet sich in einer sternarmen Region im Sternbild Lynx (Luchs), rund 7° nördlich vom hellen Stern Castor (α Geminorum). Die beste Beobachtungszeit ist November bis April.
Visuelle Beobachtung
320 mm Öffnung: Als Zeiger dienen zwei etwa gleich helle Sterne in deren Linie der «Intergalaktische Wanderer» folgt. Der Kugelsternhaufen NGC 2419 ist als kugeliger Nebelfleck, aber nicht in Einzelsterne aufgelöst, zu erkennen. Das Zentrum erscheint ein wenig punktförmig aufgehellt. — 12.5" f/4.5 Ninja-Dobsonian, Glaubenberg, 25. 3. 2022, Eduard von Bergen
400 mm Öffnung: Bei geringer Vergrößerung (21 mm Tele Vue Ethos, 85x) fällt der Kugelsternhaufen als rundes Nebelchen in der Verlängerung zweier heller 7 mag Sterne auf. Einer davon ist ein Doppelstern. Ein sehr schöner Anblick. Mit den zwei weiteren, etwas schwächeren Sternchen am anderen Ende sieht es etwas wie ein Pfeil aus, der auf den Kugelsternhaufen zufliegt. Bei ruhiger Luft, glaubt man vereinzelt kleine Sternchen im Kugelsternhaufen aufblitzen zu sehen. Im 16 mm Nagler Okular (112x) entpuppen sich diese als feine Nachbarsterne und treten deutlicher hervor. Der Haufen selbst bleibt neblig mit einer etwas helleren Mitte. Im 9 mm Nagler Okular (200x) ist der Anblick am schönsten. Der Kontrast vom Kugelsternhaufen zum Himmelshintergrund erscheint hier am besten und die Spezialität mit den beiden hellen Sternen bietet ein schönes Gesamtbild. Der Kugelsternhaufen lässt sich selbst bei noch mehr Vergrößerung (bis 450x) nicht in Einzelsterne auflösen. Dazu ist er zu dunkel. — Taurus T400 f/4.5 Dobsonian, Glaubenberg, SQM-L 20.9, 25. März 2022, 21:00 CET, Bernd Nies